In vielen Landkreisen ist der Schülerverkehr bisher ein wesentlicher Baustein des ÖPNV. Angesichts vielerorts rückläufiger Schülerzahlen sowie einem Wandel des Mobilitätsverhaltens generell, braucht es jedoch neue Formen, um die Mobilität im ländlichen Raum sicherzustellen. Mit den bestehenden Angeboten von Bahn und Bus im Rahmen eines klassischen ÖPNV allein kann das oftmals nicht gleistet werden. Gerade in der Fläche sind zunehmend flexible und kostengünstige Angebote gefragt und die moderne Technik eröffnet hier neue Möglichkeiten.
So ging beispielsweise im bayerischen Freyung im Bayerischen Wald (rund 7.500 Einwohner) im August das Projekt „freYfahrt“ an den Start. Dabei handelt es sich um einen On-Demand-Ridepooling-Service, den die Stadt Freyung gemeinsam mit dem Unternehmen door2door umsetzt. Nach Angaben der Betreiber ist es das erste Angebot dieser Art im ländlichen Raum, das eine Genehmigung als Linienverkehr erhalten hat. „freYfahrt“ wird vor Ort von der Stadt Freyung zusammen mit dem Busunternehmen Prager Reisen betrieben. Der Service ermöglicht nahezu eine Beförderung von Tür zu Tür.
Die Technologie kommt von door2door, einem Berliner Start-up-Unternehmen, das die technische Plattform zur Verfügung stellt. Dabei wird die Idee eines Sammeltaxis mit der Technik des digitalen Zeitalters kombiniert. Diese Angebote – Carpooling, Ridesharing oder Ridepooling genannt – bedeuten die gemeinsame Nutzung eines Fahrzeugs durch verschiedene Fahrgäste für jeweils eine gewisse Strecke, gesteuert wird das Ganze durch einen Algorithmus, der die optimale Strecke berechnet. Zum Einsatz kommen solche Services bisher vor allem in Großstädten. Der Transfer einer Ridepooling-Technologie aus der Stadt hin zum ländlichen Raum stelle „eine enorme Herausforderung dar. Faktoren wie die Einwohnerdichte oder das gesamte Mobilitätsverhalten der Menschen sind im ländlichen Raum ganz anders als in der Stadt“, betont Tom Kirschbaum, Co-CEO und Gründer von door2door.
Zum Start von „freYfahrt“ werden von montags bis samstags zwei Shuttles mit je acht Plätzen im Gemeindegebiet von Freyung eingesetzt. Die Fahrgäste müssen sich weder nach starren Fahrplänen, noch festen Routen richten. Auf diese Weise soll eine optimale Bedienung der Fahrwünsche ermöglicht werden, zudem soll eine effizientere Mittelverwendung zur Umsetzung der Mobilität im ländlichen Raum erprobt werden, führte door2door aus.
Ebenfalls in der ersten Augusthälfte wurde im Harz ein weiteres Projekt gestartet, das unter dem Namen „Ecobus“ eine Antwort auf die Herausforderungen an den ÖPNV im ländlichen Raum geben soll. Dabei erforschen Wissenschaftler am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS) im Rahmen eines sechsmonatigen Pilotprojekts ein System flexibler Mobilität.
Langfristig soll der Ecobus als „Mobilitätssystem auf dem Land etabliert werden und alle Verkehrsmöglichkeiten miteinander verbinden“. Während der Pilotphase im Harz besteht er aus bis zu zehn bedarfsgesteuerten Kleinbussen, die in einem Gebiet zum Einsatz kommen, das die gesamte Stadt Clausthal-Zellerfeld mit allen seinen Ortsteilen, die im Oberharz gelegenen Ortschaften Hahnenklee-Bockswiese, Lautenthal, Wolfshagen und Sankt Andreasberg sowie die Kernstadt der Stadt Osterode am Harz sowie fünf harznahe Ortsteile umfasst. Zudem besteht die Möglichkeit, vom Harz aus mit dem Ecobus ins Zentrum von Goslar, nach Oker oder Langelsheim zu fahren, wo jeweils Anschluss an den Schienenverkehr besteht.
Ihre Fahrtwünsche können Fahrgäste vor Fahrtbeginn über App, Internet oder Telefon buchen. Ein Algorithmus weist die Fahrtanfragen einem Fahrzeug zu, so dass verschiedene Fahrtwünsche mit ähnlichem Start und Ziel kombiniert werden können. Anders als beim Linienverkehr muss sich der Ecobus nicht an Linien oder Fahrpläne halten, sondern bedient alle Fahrtanfragen im Bediengebiet umsteigefrei zu jeder gewünschten Zeit während der Bedienzeiten.
Text: Thomas Burgert
Bild: Ein halbes Jahr lang sind im Rahmen eines Pilotprojekts zehn Ecobusse im Harz unterwegs.
Bildquelle: Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation