Die Hersteller aus Göteborg bedienen den Markt für Großraumfahrzeuge seit kurzem mit ihrem neuen Volvo 9700 DD. Die Schweden wollen mit ihm besonders am Fernlinienverkehr partizipieren. Wir haben uns jetzt einen Doppeldecker für einen Ausflug ausgeliehen.
Anfang des Jahres stellte die Volvo Bus Corporation den neuen Volvo 9700 DD mit 4 m Fahrzeughöhe für den kontinentalen Markt vor. Er hat noch einen großen Bruder, der kurz vor ihm das Licht der Welt erblickte. Er kommt wiederum auf eine Höhe von 4,25 m und ist für den Einsatz in den nordischen Ländern sowie in England gedacht. Erst vor kurzem hat Transdev einen Großauftrag bei Volvo eingereicht und 200 Omnibusse, darunter 39 Volvo 9700 DD bestellt. Sie sollen ab August 2022 im Regionalverkehr Pendlerstrecken nördlich von Stockholm bedienen.
Einen ersten der „kleinen“ Doppeldecker konnten wir kürzlich in Heilbronn im Auslieferungszentrum von Volvo Busse Deutschland GmbH in Augenschein nehmen. Der hohe Dreiachser mit fast 14 m Fahrzeuglänge, mit dem wir durch das Umland der Industriestadt fuhren, kann dabei 85 Passagiere aufnehmen. Maximal lassen sich die 9700-DD-Modelle sogar mit 95 Sitzen bestuhlen.
Der große Reisebus soll dabei im Premiumsegment im europaweiten Express-, Fernlinien- und Chartergeschäft sowie im touristischen Tages- und Fernreiseverkehr Punkte holen. Zu seinen Merkmalen zählen, das betont zumindest der Hersteller, seine hochwertigen Komfort- und Sicherheitsstandards. Zudem stehe er in zahlreichen Längenvarianten, fahrzeugspezifischen Auslegungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sowie Ausstattungsalternativen zur Verfügung. Technisch basiert das Fahrzeug auf der Plattform der Volvo-Baureihe 9000. Das Fahrgestell ist das Volvo B11RLE (6x2). Aufgebaut wird der Doppeldecker bei Carrus Delta Oy mit Sitz in Finnland.
Im Heck unseres Omnibusses arbeitet ein 11 l schwerer Motor vom Typ D11K460. Das Triebwerk lässt sich neben Diesel auch mit synthetischen (HVO) oder biologischen Kraftstoffen (RME) befeuern. Es leistet bis zu 460 PS (339 kW) – ausreichend Kraft für unsere kleine Spazierfahrt, die uns auch in die Hügel um Heilbronn führt.
Das ausgereifte I-Shift-Getriebe von Volvo bringt dabei diese Leistung über den Antriebsstrang sehr souverän an die Räder. Auch das Fahrwerks- und Federungssystem, für die neuen Doppeldecker frisch weiterentwickelt, lässt bei unserer Fahrt – ohne Gepäck und nur sieben Personen an Bord – nichts zu wünschen übrig.
Apropos Gepäck: Das maximale Volumen für Koffer und Co. beträgt 8 m3. Bei 85 Personen in unseren Testwagen dürfen 915 kg an Gepäck auf genommen werden, wie das entsprechende Typenschild im Bus verrät. Dieser Volvo ist zudem mit einer Anhängerkupplung ausgerüstet. Wird diese genutzt (Stützlast 300 kg), dann sinkt das zulässige Gewicht fürs Gepäck auf insgesamt 615 kg.
Der Aufstieg in die obere Etage erfolgt direkt hinter der vorderen Tür. Neben den Stufen ist der Platz für die Reiseleitung – etwas gequetscht zwischen Treppe und Mittelgang – montiert. Das Obergeschoss verfügt über eine 2+2-Bestuhlung (Volvo Comfort Level 3). Gepäckablagen links und rechts bieten Platz für Mäntel und Jacken. Sie verfügen zudem über eine integrierte LED-Lichtreihe, die eine unterschiedliche farbliche Lichtgestaltung erlauben. Panorama-Dachfenster lassen von oben Tageslicht einfallen.
Die Hecktreppe ist ebenso wie der vordere Aufstieg bauartbedingt recht steil. Handläufe helfen beim Auf- und Abstieg. Im Untergeschoss sitzen die 10 Doppelsitze auf Podesten. Klassischerweise gibt es in beiden Reihen neben dem Mittelgang direkt hinter den Trennwänden zum vorderen Fahrzeugbereich zwei Tische mit Vis-à-Vis-Sitzen. Alle Sitze, unten wie oben, verfügen über USB-Anschlüsse in ihren Lehnen bzw. in den Fahrzeugwänden. Bordtoilette und Bordküche – in unserem Fall besteht sie im Wesentlichen aus einer Mikrowelle und Kühlschrank – sind mit an Bord, zählen aber zu den Optionen, die die Käufer separat ordern müssen. Sie schließen im „Erdgeschoss“ den Fahrgastbereich auf Höhe der zweiten Treppe zum Heck hin ab.
Der Fahrerarbeitsplatz ist bequem ausgelegt und entspricht den aktuellen Ansprüchen, die man an Doppeldecker stellen kann. In Sachen Assistenzsysteme ist der Bus mehr als ordentlich ausgerüstet. Dazu zählen Auffahrwarnfunktion und Notbremsassistent, Spurassistent und der Aufmerksamkeitsassistent DAS (Driver Alert Support). Sicherheit beim Bremsen gewährleistet das Elektronische Bremssystem EBS5. Die Elektronische Stabilitätskontrolle (ESC) und die Antriebsschlupfregelung (ASR) ergänzen die Sicherheitsausstattung. Eine Feuerlöschanlage (Fogmaker) sichert darüber hinaus den Motorraum vor dem Fall der Fälle.
Darüber hinaus besitzt dieser Bus anstelle der Spiegel Kameras. Ihr Bild spiegeln sie dem Fahrer auf Monitoren im Cockpit wieder, die an den A-Säulen hängen. Als nettes Feature an Bord: das Zonenmanagement. Damit kann der Betreiber für bestimmte Streckenbereiche die maximale Geschwindigkeit definieren, die der Bus dort fahren kann. Das ergibt z. B. in Linieneinsatz Sinn, wenn der Doppeldecker an Schulen vorbeifährt. Durch die dahinter liegende Echtzeitüberwachung des Fahrzeuges lässt sich zudem die Planung von Serviceintervallen u. ä. steuern.
Volvo 9700 DD Technische Daten
Motor: D11K, Sechszylinder, Euro 6
Leistung: 460 PS/339 kW
Hubraum: 10,8 l
Getriebe: I-Shift (AT2412F) 12+4 Gänge
Länge/Breite/Höhe: 13.990/2.550/4.000 mm
Leergewicht: 19.046
Zul. GG: 26.500 kg
Sitzplätze: 85+1+1
Türen: 1 + 1
Licht: Bi-Xenon Scheinwerfer, LED Außen- und Innenbeleuchtung
Assistenzsysteme: Auffahrwarnfunktion und Notbremsassistent (CWEB), Spurhalteassistent (LKS), Abstandsregel-Tempomat (ACC), Knie-Aufprallschutz (KIP), Alcolock Dräger 7000, Feuerlöschanlage Fogmaker, MirrorEye-System (Kameras)
Klimaanlage: Eberspächer, Zusatzheizung Valeo (35 kW)
Räder: 6x2, 315/70 R22,5“
Tankinhalt: 3x205 l = 615 Liter (64 l AdBlue)
Text: Dirk Sanne
Bildquelle: Dirk Sanne