Der Nissan eNV200 Evalia ist als Siebensitzer für den kleinen Shuttleverkehr gedacht und ist rein elektrisch unterwegs. Seine Stärken liegen eindeutig im innerstädtischen Einsatz. Und um es gleich zu sagen, der Nissan ist kein Schnäppchen: Der Wagen kostet (inkl. Batteriekauf) in der Basisversion netto knapp 36.500 Euro (Testwagen 38.000 Euro). Der NV200 Evalia als Euro-6-Diesel (81 kW/110 PS) hat dagegen einen Preis von 21.200 Euro. 15.300 Euro sind schon eine ordentliche Summe extra, die man hier für emissionsfreies Fahren auf den Tisch legen muss. Was bekommt man dafür? Einen Siebensitzer, der gut 300 kg schwerer als ein Diesel-Evalia ist, über fast die gleiche Leistung verfügt und ein sehr agiles Antrittsverhalten besitzt – wenn man den seriengeschalteten Eco-Modus per Tastendruck deaktiviert. Ansonsten ist der Antritt eher gemütlich. Die Höchstgeschwindigkeit des E-Autos liegt bei 123 km/h, dann ist Schluss. Der Diesel erreicht dagegen 169 km/h.
Allerdings hinkt der Vergleich. Denn der eNV200 Evalia ist nicht fürs Schnellfahren gedacht und auch nicht für lange Autobahn- oder Überlandstrecken. Nissan gibt für ihn im kombinierten Verkehr eine Reichweite von 200 km (nach WLTP, Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) an. Die potenziell aktuell vorhandene Reichweite spiegelt dabei das Display dem Fahrer beständig in Kilometern wider. Bei einer reinen Autobahnfahrt sind die 200 km, selbst bei einer Reisegeschwindigkeit von 105 km/h wohl nicht zu erreichen. Zu rasch fließt der Strom aus der Batterie in den Antrieb, zu rasch korrigierte das Display die dann noch vorhandene potenzielle Reichweite nach unten. Auch wenn man auf möglichst viele Nebenverbraucher verzichtet.
In der Stadt sieht das ganz anders aus. Hier soll die Reichweite bei 301 km (nach WLTP) liegen. Ein Wert, den wir übertroffen haben. Allerdings waren wir nicht voll ausgeladen unterwegs. Denn der Nissan rekuperiert, sprich beim Bremsen fließt Energie in die Batterie zurück. Und er rekuperiert sofort, sobald der Fuß das „Gaspedal“ verlässt und bremst bis fast zum Stillstand des Wagens. Das macht er auf eine sehr angenehme, sanfte Weise. Diese sogenannte Ein-Pedal-Strategie – das Auto bremst selbständig ab, sobald kein Gas gegeben wird – findet man beispielsweise auch beim MAN eTGE. Hier jedoch geschieht das Ausbremsen viel abrupter und intensiver. Auch beim Einsatz der Fußbremse fließt grundsätzlich Energie zurück in den Akkumulator.
Der Nissan zeigt diese Rückgewinnung sehr anschaulich in einem dynamischen Balkendiagramm im Display. Und in der Stadt mit ihren vielen Ampeln und dem Stopp-and-go zählt dann der potenzielle Reichweitenzähler öfters brav Kilometer dazu. Ein Fahrvergnügen, das man so aus einem Verbrenner nicht kennt. Übrigens, Nebenverbraucher kosten richtig Energie: Bei eingeschalteten Gebläse und Klimaanlage, um mal die von innen beschlagenen Scheiben wieder frei zu bekommen und eben nicht an Bord zu frieren, reduzierte der Kilometerzähler mit dem Einschalten der System die verbleibende Reichweite schlagartig um über 45 km. Vielleicht deshalb hat man unserem Nissan eine Sitzheizung und eine Lenkradheizung spendiert, eine Kompromiss zwischen Innenraumwärme und Reichweite?
Und wie kommt der Strom nun ins Auto? Über zwei Möglichkeiten kann der Nissan geladen werden. Über ein EVSE-Kabel und einem Schnellladeanschluss (bis 50 kW) und ein Haushaltsstecker (bis 2,3 kW). Beide Anschlüsse befinden sich vorne nebeneinander hinter einer kleinen Klappe. Die beiden Kabel (6 m) dazu ruhen verpackt in Taschen hinten im Heck. Anschließen lassen sie sich problemlos, wenn man denn über die richtigen Steckdosen verfügt. Die Probleme liegen dabei vielfach im Detail. Da die eigene Wohnung in der ersten Etage liegt, wäre hier nur die Stromversorgung via Küchenfenster und herabhängendem Kabel möglich gewesen. Der Nachbar hat ein Einsehen für die Zeit des Testes und stellt seine Garage samt 230-Volt-Anschluss zur Verfügung. Dumm nur, dass der Wagen mit 1845 mm Höhe nicht mehr durchs Garagentor passt. Es fehlten wenige Zentimeter. Also nur mit der Haube in die Garage hineinfahren. Nun passt’s und wir konnten mit trockenverlegten Kabel über Nacht Strom ziehen.
Beim Schnellladen verspricht der Hersteller übrigens eine Ladezeit für 80 % der Kapazität der Lithium-Ionen-Batterie in 40 bis 60 Minuten. Der komplette Ladezyklus braucht an einer Haushaltsteckdose (2,3 kW) dagegen 18 Stunden.
Was unterscheidet noch den eNV200 Evalia von seinem Dieselbruder? Erstens man hört nur noch ein sanftes Schnurren vom E-Motor und das Rollen der Räder – sehr angenehm. Zweitens verbrennt er eben nicht 5,5 l/100 km (Verbrauch innerorts laut Nissan) und stößt auch keine 130 g/km CO2 aus – was ja im Sinne des Umweltschutzes ist. Im Interieur gibt es kaum Unterschiede zwischen den beiden Modellen. Luxuriöses Multifunktionslenkrad, Fahrstufenwahlschalter in der Mittelkonsole, darunter sitzen die drei Kippschalter für die Sitz- und Lenkradheizung. Darüber sind der vor allem Startknopf für den E-Motor – startet nur wenn der Fuß zugleich auf der Bremse steht – und der Schalter für die Deaktivierung des Eco-Modus platziert. Und natürlich das zentrale Display, dass in einem blauen (Ladezugstand) und grün-weißen Balkendiagram (Verbrauch/Rekuperation) über den Energiezustand. Ein weiteres Feld schätzt zudem die aktuellen Ladezeiten für einen 6-kW- und einen 3-kW-Anschluss ab.
Text und Bildquelle: Dirk Sanne
Nissan eNV200 Technische Daten
Motor: Elektromotor
Leistung: 80 kW/109 PS bei 3.008-10.000 min-1
Max. Drehmoment: 254 Nm bei 0-3.008 min-1
Batteriekapazität: 40 kWh
Batteriespannung: 240-406 V (350 V)
Maße (L/B/H): 4.560/1.755/1.845 mm
Radstand: 2.725 mm
Leergewicht: 1.694-1.850 kg
Zul. GG: 2.250 kg
Reifen: 185/65 R15
Energieverbrauch: 25,9 gesamt Wh/km (nach WLTP)
Reichweite städtisch: 301 km (nach WLTP)
Reichweite kombiniert: 200 km (nach WLTP)
Höchstgeschwindigkeit: 123 km/h
Wartung: 30.000 km/12 Monate
Grundpreis inkl. Batteriekauf: 36.498 Euro (Netto)
Preis Testwagen: 37.918 Euro (Netto)