In vielen Ländern sind gerade die wendigen und flexibel einsetzbaren Längen bis 10 m beliebt, nicht zuletzt in der Türkei, woher auch unser MD 9 LE stammt. Der ist einem weiteren Trend folgend in Low-Entry-Bauweise ausgeführt, was eine teure Niederflurarchitektur u. a. mit Niederflurportalachse hinter dem Mitteleinstieg erspart. Das 9,5 m lange Fahrzeug kommt in Klasse-2-Ausführung mit 54 Sitz- und Stehplätzen auf einen Nettopreis von lediglich 145.000 Euro.
Von der steileren Frontscheibe abgesehen unterscheidet sich der MD 9 LE von vorne nur unwesentlich vom gleichnamigen Reisemidi. Das heißt aber auch, die Optik ist schon etwas in die Jahre gekommen, denn der Prototyp des MD 9 wurde 2010 auf der IAA vorgestellt.
Für den Fahrgast zählen in der Regel mehr die Alltagstauglichkeit und der Komfort. Auch in diesem Punkt muss man beim MD 9 LE einige Abstriche machen. So ist die Durchgangsbreite im Gang mit 35 bis 36 cm zwischen den Inova-Doppelsitzen mit gangseitigen Armlehnen sehr schmal. Das ist vor allem der reduzierten Fahrzeugbreite von nur 2400 mm geschuldet – die fehlenden 15 cm zum Maximalwert werden schmerzlich vermisst. Gleichzeitig sind die längs führenden Haltestangen im niederflurigen Bereich unter den Gepäckablagen viel zu weit außen angebracht, so dass sie ein im Gang stehender Fahrgast kaum erreicht. Nutzt man stattdessen die von den Stangen baumelnden Halteschlaufen mit Griff, hat man den Arm womöglich direkt vor dem Gesicht eines sitzenden Mitfahrers – kaum zu dessen Freude.
Was uns ebenfalls nicht gefallen hat, ist die Verarbeitung in manchen Bereichen, etwa beim Fußbodenbelag. Akkuratere Abschlüsse und Verklebungen darf man auch bei einem Low-budget-Fahrzeug erwarten, ebenso hochwertigere Schweißnähte und Verschraubungen. Die Bezüge der Fahrgastsitze vom Typ Optima 4360S mit verstellbaren Rückenlehnen und Dreipunktgurten des türkischen Herstellers Inova wiesen schon nach kurzer Nutzung des Busses als Vorführer Abnutzungsspuren auf.
Pluspunkte sammelt der MD 9 LE aber auch: Nicht nur vom Cockpit her ist der türkische Midi ein echtes Fahrerauto. Mit leichtgängiger Lenkung, spritzigem Antritt und guten Fahrwerksleistungen macht er erheblich mehr Spaß, als von einem solchen Fahrzeugtyp her erwartet. Auch wenn wir ohne Zuladung unterwegs waren, ließ die Performance von Antrieb und Chassis doch darauf schließen, dass selbst der vollbesetzte Bus noch flott und souverän selbst profiliertes Gelände bewältigt. Das ist umso überraschender angesichts der Tatsache, dass der 254 PS starke 6,7-l-Cummings-Motor ein maximales Drehmoment von lediglich 982 Nm besitzt. Die gute Umsetzung des begrenzten Antriebmoments ist sicherlich auch ein Verdienst der unauffällig ihren Dienst verrichteten Sechsgangautomatik T280R von Allison.
Text & Foto: Claus Bünnagel