Die neuen Lenk- und Ruhezeiten
Am 11. April 2007 löste die Verordnung VO (EG) 561/ 2006 die VO (EWG) 3820/ 85 ab und läutete eine neue Ära für die Bustouristik ein. Busunternehmer sind nun gezwungen, bei der Erstellung des Kataloges und in der Disposition umzudenken und die Busbranche wird vor neue Herausforderungen gestellt.
Wie es dazu kam
Busreiseveranstalter fragen sich, wie es – trotz Lobbyarbeit der Verbände – zu diesen Veränderungen kommen konnte.
Die Ziele der Europäischen Union mit der Novellierung der Lenk- und Ruhezeiten-Regelung aus dem Jahr 1985 waren
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eine Vereinheitlichung in der Gesetzgebung zu erreichen
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eine bessere Überwachung ihrer Einhaltung zu ermöglichen
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und die Verantwortung der Unternehmer zu erhöhen.
Bereits im Jahr 2001 wurde der erste Vorschlag der EU-Kommission gemacht, der unter anderem den Wegfall der 12-Tage-Regelung beinhaltete. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) war zu diesem Zeitpunkt schon informiert und auf dem Plan.
Eine erste Lesung des Europäischen Parlaments im Januar 2003 zeigte, dass den Abgeordneten vor allem der Arbeitnehmerschutz am Herzen lag. Die Anfahrtszeiten sollten bereits als Lenkzeiten gelten und verstärkte Unterwegskontrollen die Arbeitszeit überprüfen.
Der Vorschlag der Kommission wurde daraufhin verändert. Durch die gehäuften Busunfälle zu dieser Zeit rückte zudem die Busbranche stark in den Fokus der europäischen Verkehrsminister, die darin übereinstimmten, die 12-Tage-Regelung abzuschaffen.
Zur zweiten Lesung des Europäischen Parlaments im April 2005 fuhr der bdo gemeinsam mit den Gewerkschaften in Brüssel und Straßburg sämtliche Argumente auf, um die Parlamentarier davon zu überzeugen, dass ein Busfahrer seinen Ruhetag nicht fern ab von seiner Familie verbringen möchte. Mit Erfolg, wie Christiane Leonard, Rechtsanwältin beim bdo, berichtet: Die Mehrheit der Abgeordneten war dafür, die 12-Tage-Regelung wieder aufzunehmen.
Doch als der Vermittlungsausschuss tagte, kam es „zu einer großen Konfusion“, so Leonard. Man „schacherte“ und verabschiedete ein Gesamtpaket, bei dem das Europäische Parlament in keinem einzigen Punkt seinen Standpunkt durchsetzen konnte.
Zum Vorteil der Busbranche (Anfahrtszeit als Arbeitszeit und Unterwegskontrolle der Arbeitszeit), aber auch zu ihrem Nachteil (Wegfall der 12-Tage-Regelung).
Die Überzeugungsarbeit, die der bdo gegenüber den Abgeordneten leistete – umsonst. „Lobbyarbeit in Brüssel ist ein hartes Brot“, fasst Rechtsanwältin Leonard die Bemühungen des Verbandes zusammen.
Busunternehmer protestieren
Der bdo und der europäische Dachverband IRU wollen das Thema nicht ruhen lassen, das Busrundreisen bis zu 500,- Euro teurer machen und auch Auswirkungen auf die Hotellerie und Gastronomie haben wird. Durch einen Mangel an qualifiziertem Fahrpersonal, den der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer prophezeit, sieht er die Intention der EU, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, fehlgeschlagen und eine Chance auf eine Wiederaufnahme der 12-Tage-Regelung.
Um dies zu erreichen, riefen die europäischen Busverbände Mitte März zu einer Großdemonstration in Brüssel auf: 700 Busse protestierten in einem Konvoi am 14. März 2007 gegen die Neuregelung der Lenk- und Ruhezeiten, darunter auch 70 Busse aus Deutschland. Während der Demonstration fuhr einer der Busse direkt bei der Europäischen Kommission vor und Repräsentanten der Busverbände, unter ihnen, Gunther Mörl und Martin Kassler, überbrachten eine Protestresolution. Zwei Stunden konnten sie ihre Einwände gegen die neuen Lenk- und Ruhezeiten-Vorschriften der EU-Verkehrskommission darstellen.
Der Deutsche Bundestag wurde vom Parlament aufgefordert, bis zum Ende der Legislaturperiode 2009 einen Bericht über die Auswirkungen der Neuregelung zu verfassen. Die Europäische Kommission signalisierte dem bdo Gesprächsbereitschaft.
Ob und wann es jedoch zu einer Neuaufnahme des Verfahrens kommt, ist derzeit ungewiss.
Busunternehmer müssen sich auf die neuen Vorschriften, die seit dem 11. April gelten, einstellen und vor allem mit verstärkten Kontrollen rechnen.
Die neuen Regeln
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Die maximale Lenkzeit pro Tag hat sich nicht verändert und beträgt 9 Stunden, nach wie vor kann zweimal pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden.
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Änderungen gibt es aber bei den vorgeschriebenen Unterbrechungen der Lenkzeit: Nach 4,5 Stunden müssen zwar nach wie vor 45 Minuten Pause gemacht werden, doch diese Pause kann nicht mehr auf drei 15-minütige Abschnitte verteilt werden. Nur noch eine 15-minütige und dann eine 30-minütige Unterbrechung ist möglich.
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In zwei aufeinander folgenden Wochen darf der Fahrer maximal wie bisher 90 Stunden lenken, doch die neue wöchentliche Lenkzeit beträgt maximal 56 Stunden und zugleich darf die in der EU-Arbeitszeit-Richtlinie vorgeschriebene maximale Arbeitszeit pro Woche nicht überschritten werden.
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Die neu formulierte „regelmäßige tägliche Ruhezeit“ beträgt zusammenhängende elf Stunden wie bisher und kann ebenfalls drei Mal auf neun Stunden verkürzt werden, doch diese Reduzierung bezieht sich nicht mehr auf die Kalenderwoche, sondern auf den Zeitraum zwischen zwei wöchentlichen Ruhezeiten: Das bedeutet, dass die tägliche Ruhezeit innerhalb von 24 Stunden nur noch in zwei Teile gesplittet werden darf und zwar in zunächst drei und dann neun ununterbrochene Stunden.
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Wenn die Tour mit Doppelbesetzung gefahren wird, muss jeder Fahrer ebenfalls neun (nicht mehr wie bisher acht) Stunden Ruhezeit innerhalb eines Zeitraums von 30 Stunden nach dem Ende einer täglichen bzw. wöchentlichen Ruhezeit machen.
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Die 12-Tage-Ausnahmeregelung entfällt. Das heißt, spätestens nach sechs 24-Stunden-Zeiträumen nach Ende der vorangegangenen wöchentlichen Ruhezeit, muss eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 45 zusammenhängenden Stunden eingelegt werden. In einem Zwei-Wochen-Zeitraum muss der Fahrer nun entweder zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten von 45 Stunden einlegen oder eine 45-stündige und eine 24-stündige Ruhezeit. Reduziert er einmal auf 24 Stunden, wird dies durch eine gleichwertige Ruhezeit ausgeglichen, die ohne Unterbrechung in der dritten Woche genommen und an eine Ruhezeit von neun Stunden angehängt werden muss.
Einige Fragen und Antworten
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Was passiert, wenn die Ruhezeit wegen eines Staus nicht eingehalten werden kann?
Antwort: Bei unvorhersehbaren Staus gilt weiterhin die Notstandsregelung „Höhere Gewalt“, allerdings nicht, wenn in Staus, die regelmäßig an einer bestimmten Stelle auftreten, gefahren wird.
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Kann der Fahrer seine Ruhezeit in der Schlafkabine des Busses nehmen?
Antwort: Diese Ruhezeit zählt nur, wenn der Omnibus nicht fährt. Eine Besetzung mit zwei Fahrern – einer fährt, der andere schläft in der Schlafkabine – ist deshalb keine Lösung.
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Sind Reiseveranstalter, die einen Bus für eine Tour benötigen, für die Einhaltung der neuen Regelungen verantwortlich?
Antwort: Ja, das ist neu. Nicht nur die Busunternehmer müssen Haftung übernehmen, sondern auch Reiseveranstalter.
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In den AETR-Staaten (Andorra, Aserbaidschan, Bosnien-Herzegowina, Kasachstan, Kroatien, Montenegro, Moldawien, Mazedonien, Russland, Serbien, Türkei, Turkmenistan, Usbekistan und Weißrussland) gilt ja nach wie vor die 12-Tage-Ausnahmeregelung. Welche Auswirkungen hat das auf eine Rundreise, wenn auch durch eines dieser Länder gefahren wird?
Antwort: Die AETR-Regelung wird vermutlich erst in den nächsten Jahren den EU-Vorschriften angeglichen. Sie bezieht sich bei Rundreisen auf die gesamte Strecke – also auch, wenn die Rundreise durch zwei EU-Staaten in einen AETR-Staat führt. Hier müssen die neuen Vorschriften der Lenk- und Ruhezeiten nicht angewandt werden.
Eine Sonderstellung nimmt dabei die Schweiz ein, für die theoretisch auch die AETR-Regelung gilt. Doch derzeit ist es nicht eindeutig geklärt, welche Vorschriften bei Fahrten in und durch die Schweiz zur Anwendung kommen. Deshalb ist es dringend geraten, die neue Verordnung der Lenk- und Ruhezeiten anzuwenden.
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