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Europa der Kleinstaaterei

Datum: Quelle: BUSMAGAZIN

Immer mehr Bürokratie, mehr Vorschriften, von Land zu Land unterschiedliche Regelungen, dazu Umweltzonen und Einfahrtregelungen in vielen Städten und teilweise auch willkürliche Kontrollen in manchen europäischen Ländern – für die Bustouristik werden im eigentlich freien Europa derzeit vielerlei Hürden aufgerichtet, die den Unternehmen schwer zu schaffen machen.

Busunternehmer leiden unter den zahlreichen Vorschriften, die ohne Ausnahme beachtet werden müssen. Bei vielen setzt auch der Frust ein. Hinzu kommt die Angst unwissentlich einen teuren Fehler zu begehen“, beschreibt der Internationale Bustouristikverband RDA die derzeitige Situation. Nach Einschätzung des Verbandes haben beispielsweise viele Städte im In- und Ausland seit geraumer Zeit die Bus- und Gruppentouristik als „zusätzliche Cash-Cow entdeckt“ oder aber sie glauben, mit der Verbannung des umweltfreundlichen Busses ihre Feinstaubemissionen in den Griff bekommen zu können. Dies führe zu teils „verheerenden finanziellen aber auch bürokratischen Folgen“ für die Busunternehmen. Zudem habe laut RDA der Bürokratiewucher bei grenzüberschreitenden Reisen eine Dimension angenommen, die an ein „Europa der Kleinstaaterei“ erinnert. Mitunter gebe es beim RDA mehrere Meldungen pro Monat darüber, in welche europäischen Städte nur noch mit vorausgehender Deklaration eingefahren werden darf. „Ein grenzenloses Europa sieht anders aus“, kritisiert daher der Verband.

„Bürokratismus, Kleinstaaterei und Willkür bezüglich Vorschriften und Gesetzen machen selbst für erfahrene Touristiker eine Urlaubsreise mit dem Bus – je nach Auslegung individueller Landesgesetze vor Ort – zu einer unkalkulierbaren Fahrt in die ‚Illegalität’“, fällt das Urteil zur derzeitigen Situation in der Bustouristik beim Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) ebenfalls niederschmetternd aus. Der Verband verweist beispielsweise auf das EU-weite „Mobility-Package“, das – gedacht zum Schutz der Fahrer der Logistikbranche – sich als Grab der Omnibusunternehmer erweisen könne: 56 Tage Nachweispflicht über Lenk- und Ruhezeiten statt wie bisher 28 Nachweistage. Die Gegebenheit, dass das Fahrpersonal oftmals im gemischten Verkehr, also innerhalb und außerhalb des Geltungsbereichs der EU-Verordnungen eingesetzt wird und somit die Erfüllung der formalen Nachweispflichten sich dadurch extrem verkompliziert, ist immer noch nicht als Tatsache erkannt und bleibt unberücksichtigt, kritisiert der WBO.

Auf völliges Unverständnis treffen bei den Busunternehmern die von einigen Mitgliedsstaaten der EU eingeführten Entsenderichtlinien. Besonders bitter sei laut WBO hierbei, dass der typische Reiseverkehr nicht unter die EU-Definition von Entsendung fällt, was aber vor allem in Deutschland und Österreich ignoriert wird. Der Schutz der eigenen Angestellten vor Lohndumping aus dem Ausland – ein an sich nachvollziehbarer Gedanke – entpuppe sich laut WBO angesichts der Lohnunterschiede von deutschen Busfahrern und Fahrern aus dem angrenzenden Ausland als „völlig wiedersinnig“.

Europa lasse zwar grüßen, allerdings nicht als große Union mit einheitlichen Gesetzen und nachvollziehbaren Auslegungen, sondern als ein Flickenteppich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Ländergesetze. Der Eindruck „moderner Wegelagerei“ lässt sich laut WBO nur schwer vermeiden. Die Entwicklung ist fatal, denn der langsam unermessliche Aufwand in Planung, Vor- und Nachbereitung einer Urlaubsfahrt schreckt laut WBO mittlerweile so manchen Touristiker ab. „Die Europäer der ersten Stunde – die Busunternehmer – werden von Europa in der momentanen Form erdrückt“, zieht der Verband daher ein ernüchterndes Fazit.

Auf die Frage, wo der Schuh denn besonders drückt, antwortet BDO-Präsidentin Christiane Leonard: „Ich möchte jetzt hier gar nicht eine einzelne bürokratische Hürde oder einen bestimmten Kostentreiber herauspicken und als besonders schwerwiegend einordnen. Das Grundproblem ist für mich ein anderes. Es ist die zugrundeliegende Haltung. Ich weiß nicht, ob da ein Verständnis für die Erfordernisse und die Bedeutung von Reiseunternehmen fehlt. Auf jeden Fall wird aus meiner Sicht nicht erkannt, welchen positiven Nutzen die Regionen und Städte durch die Fahrgäste unserer Reisebusse haben.“ Die bdo-Studie „Wirtschaftsfaktor Bustourismus in Deutschland“ zeigt, dass die Branche Umsätze in Höhe von 14,3 Mrd. Euro generiert. Und die Branche sichert Arbeitsplätze, laut der Studie nahezu 240.000 Vollzeitstellen. Für die Zukunft könnte das – bei richtigen Rahmenbedingungen – noch mehr werden.

Für Christiane Leonard ist klar, dass die Unternehmen abwägen müssen, in welchem Verhältnis der steigende bürokratische Aufwand oder die völlig unakzeptablen Praktiken der Finanzverwaltungsbehörden – also die  Gewerbesteuerhinzurechnung von Hoteleinkäufen – zu den am Markt zu erzielenden Einnahmen stehen. „Das ist nicht einfach und erfordert einen hohen Einsatz unserer Betriebe und ich kann den Unmut unserer Unternehmerinnen und Unternehmer daher sehr gut verstehen. Allerdings sehe ich auch, dass sie hervorragende Produkte am Markt platzieren und ihre Betriebe mit hohem Engagement und bester Qualität führen“, erklärt die bdo-Präsidentin. Man könne feststellen, dass sich die Unternehmen auf bestimmte  Zielgebiete spezialisieren. Andere Länder werden dann beispielsweise nicht mehr angefahren. Das sei aus Sicht der Unternehmen sinnvoll und nachvollziehbar, allerdings schränkt es die Vielfalt im Markt ein. „Vor dem Hintergrund der immensen wirtschaftlichen Bedeutung des Bustourismus und im Sinne des europäischen Gedankens, gilt es diesen Entwicklungen massiv entgegen zu wirken“, betont Christiane Leonard.

Der RDA bestätigt ebenfalls, dass gewisse Destinationen oder Regionen von den Unternehmen einfach nicht mehr angefahren werden. Einige italienische Städte abseits der großen touristischen Routen – wie etwa Arezzo – seien damit ganz gut gefahren und könnten sich über zusätzliche Gäste freuen.

Auf die Frage, ob es denn einen Lichtblick in Sachen Vorschriften und Regelungen bei der Bustouristik gebe, nennt der WBO-Vorsitzende Klaus Sedelmeier nach einigem Überlegen die Abschaffung des EU-Fahrtenblatts, die kurz vor der Vollendung stehe. Angesichts der enormen bürokratischen Belastungen für die Unternehmen sei dies jedoch ein schwacher Trost.

 

Text: Thomas Burgert

Bildquelle: Sanne




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