Der neue Mercedes Sprinter tritt in große Fußstapfen. Ähnlich wie Tempo als Synonym für Papiertaschentücher steht, bezeichnet sein Name eine ganze Fahrzeugklasse. Wie kein anderer prägt er das Gewichtssegment der 3- bis 5,5-Tonner und muss jetzt in dritter Generation seinen Ruf verteidigen.
Äußerlich fand am Sprinter keine Revolution statt. Die neu gestaltete Frontpartie liegt im Stil der aktuellen Designlinie von Mercedes. Sie wirkt robuster und sportlicher. Erheblichen Anteil daran haben der markante Kühlergrill und die schlitzartigen Scheinwerfer. Ab der A-Säule sind kaum Änderungen auszumachen. Eine Neuerung ist der Frontantrieb. Der gesellte sich als drittes Antriebskonzept zum Heck- und Allradantrieb. In den Bus-Varianten für bis zu 20 Insassen spielt der Fronttriebler aber keine Rolle. Die Tourer rollen ausschließlich mit Heckantrieb zum Kunden.
Im Innenraum hat sich deutlich mehr getan. Steigt der Fahrer in die Kabine, fällt das neue Multimediasystem MBUX (Mercedes-Benz User Experience) in der Mittelkonsole auf. Das Infotainment-Gerät besticht durch einen 7- oder 10,25-Zoll-Touchscreen in HD-Auflösung und bildet die Schnittstelle zwischen dem Fahrer und verschiedenen digitalen Funktionen. Das MBUX ist lernfähig und passt sich an den Wünschen des Fahrers an. Herzstück bildet das Fahrzeugmanagement Tool, mit dem alle neuen Sprinter ausgerüstet sind. Die Blackbox stellt die Verbindung zwischen Zentrale und Fahrer her, sendet über die integrierte SIM-Karte Fahrzeugdaten an den Fuhrpark, überwacht die Fahrzeuglogistik und hilft bei anstehenden Wartungen.
Ein im Fahrzeug integrierter High-Speed-Internetanschluss kann für die Vernetzungsdienste von Mercedes Pro oder als Hotspot für die Insassen genutzt werden.
Die neue Telematik Pro Connect für Flottenbetreiber macht den Anfang und den Sprinter fit für Logistikaufgaben. Zum Marktstart sind acht Pakete mit flotten-, fahrzeug-, fahrer- und standortbasierten Diensten verfügbar. Mit den Diensten von Pro Connect wissen Flottenbetreiber nahezu in Echtzeit, wo ihre Sprinter-Busse gerade fahren, parken oder Gäste aufnehmen. Neue Aufträge lassen sich direkt ans Fahrzeug senden und über den Touchscreen der MBUX abrufen.
Wahlweise bedient der Fahrer das Infotainmentsystem über die Sprachsteuerung oder Knöpfe am Lenkrad. Links und rechts gibt es bis zu sechs Felder zum Drücken, Wischen und ScrolIen. Das verwirrt anfangs. Die Bedienung klappt aber nach kurzer Eingewöhnung ganz intuitiv.
Ähnlich wie Alexa von Amazon reagiert der neue Sprinter per Sprache auf die Fahrerwünsche. Zur Aktivierung reicht ein Schlüsselwort wie „Hallo Mercedes“ aus und der virtuelle Beifahrer erwartet weitere Befehle. Ruft die Besatzung „Ich habe Hunger“, zeigt das Display kurze Zeit später die nächstgelegenen Restaurants an. Auch die Sitzheizung lässt sich so ein- und ausschalten, ein neues Navigationsziel finden oder Nachrichten diktieren und verschicken.
Das aufgeräumte Cockpit mit Lenkstockhebel für das Automatikgetriebe, elektrische Parkbremse (Option) und der schlüssellose Startknopf schaffen vorn viel Bewegungsfreiheit. Die Sitze sind komfortabler geworden und bieten festen Halt. Der neu gestaltete Armaturenträger ist in vier Varianten von ganz schlicht bis luxuriös zu haben. Gleichzeitig bietet er ein variables Ablagenkonzept, bei dem alles seinen Platz findet.
Für die Personenbeförderung hält der neue Sprinter verschiedene Konfigurationen im Fahrgastraum vor. Eine Wucht ist die serienmäßige Easy Mounting-Funktion für die Fondsitze. Dadurch lassen sich die Sitzbänke mit einer Hand entriegelt und leichter ein- und ausbauen. Rollen sorgen für einfaches Handling und verhindern Beschädigungen an den Böden. Optional verfügen die Sitze über Armlehne, Vier-Wege-Kopfstütze und Lehnen-Neigungsverstellung. In der Luxus-Ausführung sind in jeder Sitzreihe im Fond USB-Ladebuchsen und Staufach für Smartphones zu haben.
Das bisherige oftmals starke Schaukeln und Rütteln hat Mercedes im neuen Sprinter beseitigt. Passagiere auf den hinteren Plätzen reisen jetzt entspannter und müssen sich nicht zwangsweise festklammern. Die Sitze sind wesentlich bequemer als beim Vorgänger. Auch geht es im Innenraum leiser als vorher zu.
Unverändert steht das Leistungsangebot der Dieselmotoren. Es setzt sich aus Vier- und Sechszylindermotoren zusammen. Als Spitzenmotorisierung kommt im Sprinter der bekannte 3-l-Motor mit 190 PS zum Zuge. Kostengünstiger arbeitet der bewährte, 2,1 l große CDI-Dieselmotor in einer Leistungsspanne von 114 bis 163 PS. Im Testfahrzeug legte der Vierzylinder kraftvoll los. Für viele Einsätze mag dieser Motor ausreichen, zumal sich Schaltung und Sechsganggetriebe keine Schwächen leisten. Mehr Fahrspaß im Shuttleverkehr bereitet die stärkste 190-PS-Variante mit siebenstufigem Automatikgetriebe. An Kraft kaum zu überbieten sind damit auch große Distanzen schnell uns stressfrei überwunden.
Um die Reichweite im Vergleich zum Vorgänger zu erhöhen, fasst der Adblue-Tank jetzt 22 statt nur 18 l. Sein Einfüllstutzen im Motorraum liegt nun weiter vorn und lässt sich besser erreichen. Zudem entfällt der Ölpeilstab im neuen Sprinter. Diese Aufgabe übernimmt eine elektronische Ölstandskontrolle, die über das Kombiinstrument im Cockpit abrufbar ist.
Bei den Assistenzsystemen hat Daimler kräftig nachgelegt. Seitenwindassistent und Fahrlichtassistent gehören zum Serienumfang. Zum neuen Angebot im Sprinter zählen eine Rückfahrkamera mit Bild im Innenspiegel, ein modernes Park-Paket mit 360-Grad-Rundumsicht und optionalem Totwinkelassistent, ein Regensensor und Wischer mit integriertem Wet-Wiper-System.
Darüber hinaus sind adaptiver Abstandsregeltempomat, aktiver Bremsassistent und Aufmerksamkeitsassistent verfügbar. Die haben sich während der Testfahrten im dichten Amsterdamer Berufsverkehr auf der Autobahn mit viel Stop-and-Go bewährt und halfen, stressfrei über den Parcours zu kommen. Die Bedienung über die linken Lenkradtasten geschieht nach kurzer Orientierung ganz intuitiv. Abstand und Geschwindigkeitslimits sind schnell programmiert und lassen sich über eine Speicherfunktion jederzeit erneut aufrufen.
Daimler bietet den Sprinter Tourer in zwei Gewichtsklassen, zwei Dachhöhen und drei Radständen an. Beim Blick in die Preisliste wird schnell klar, dass so viel Fortschritt nicht kostenfrei zu bekommen ist. Dennoch haben die Schwaben mit Blick nach Hannover einen Köder ausgeworfen, den möglichst viele Kunden schlucken sollen: In der Basisversion mit Frontantrieb ist der neue Sprinter Kastenwagen ab 19990 E zu haben. Das günstigste Tourer-Modell kostet 28140 E. Die umfangreiche Sonderausstattungsliste lässt den Kaufpreis weiter in die Höhe schnellen. Ab Juni 2018 will Daimler die ersten Sprinter an Kunden ausliefern.
Text: Frank Hausmann
Bildquelle: Daimler