Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshof (BGH) können Aufzeichnungen von so genannten Dashcams als Beweismittel herangezogen werden, wobei das Urteil einen Haken hat: Denn das permanente Aufzeichnen des Straßenverkehrs mittels einer Kamera hat das Gericht als weiterhin unzulässig bezeichnet, da dies gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verstoße.
Die BGH-Entscheidung (Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 233/17, Volltextveröffentlichung 9.7.) zu einem konkreten Fall liest sich dann wie folgt: „Die vorgelegte Videoaufzeichnung ist nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig. Sie verstößt gegen § 4 BDSG, da sie ohne Einwilligung der Betroffenen erfolgt ist und nicht auf § 6b Abs. 1 BDSG oder § 28 Abs. 1 BDSG gestützt werden kann.
Eine „permanente anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens auf und entlang der Fahrstrecke“ sei zur Wahrnehmung der Beweissicherungsinteressen nicht erforderlich, denn es sei „technisch möglich, eine kurze, anlassbezogene Aufzeichnung unmittelbar des Unfallgeschehens zu gestalten, beispielsweise durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und Auslösen der dauerhaften Speicherung erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeuges.“ Dennoch sei die vorgelegte Videoaufzeichnung „als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess verwertbar“, schreiben die Richter weiter und begründen dies wie folgt: „Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den sich der Beklagte freiwillig begeben hat. Er hat sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind.“
Rechnung zu tragen sei nach Ansicht der Richter auch der „häufigen besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet“ sei. Auch ein möglicher Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte anderer (mitgefilmter) Verkehrsteilnehmer führe „nicht zu einer anderen Gewichtung. Denn ihrem Schutz ist vor allem durch die Regelungen des Datenschutzrechts Rechnung zu tragen, die nicht auf ein Beweisverwertungsverbot abzielen“. Bedeutet die Entscheidung des BGH also „Aufnehmen verwerten, aber diese Aufnahmen machen, nein“?
Das BGH-Urteil verbessere trotz seiner Einschränkung die Position für Busbetriebe erheblich, sagt der Versicherungsmakler Dittmeier und fügt hinzu: „Busfahrer sind bei unklaren Situationen oft im Nachteil, denn häufig ist der Bus das größere Fahrzeug gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern wie Pkw, Lieferwagen, Radfahrern und Fußgängern. Aufgrund der Gefährdungshaftung gehen unklare Unfälle daher meist zu Lasten des Busfahrers aus. Ist der Unfallhergang dagegen per Video aufgezeichnet, verbessert sich die Beweislage insbesondere im Rahmen der Gefährdungshaftung.“
Der BGH habe sich nun in dem Fall „ausführlich und in vorbildlicher Weise“ mit den Fragen des Datenschutzes und des Persönlichkeitsrechts auseinandergesetzt, führt Thomas Dittmeier, Geschäftsführer der Dittmeier Versicherungsmakler Gesellschaft aus. Er sieht die bisherige Sichtweise von Dittmeier bei der Verwertung von Videobeobachtungen im Straßenverkehr durch den Bundesgerichtshof bestätigt. „Seit sieben Jahren vertreten wir diese vehement und kämpfen dafür“, sagt er.
Dittmeier weist bei der BGH-Urteilsbegründung auf den Passus hin, wonach eine Interessens- und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen vorzunehmen und entsprechend zu entscheiden ist. Daraus sei zu folgern, dass „die Verwertbarkeit von Videos mit einer permanent aufnehmenden Dashcam zwar wahrscheinlich, aber nicht absolut rechtssicher ist“.
Dittmeier setzt auf einen so genannten „SiDi-Recorder, bei dem die Verwertung aufgrund der anlassbezogenen Aufnahme unproblematischer sei. Dittmeier hat dieses speziell auf die Bedürfnisse von Busunternehmen zugeschnittene Gerät seit 2011 in Eigenregie weiterentwickeln lassen. Die kleine G-Sensor-gesteuerte Spezial-Videokamera sei mit einem Mini-Unfalldatenschreiber vergleichbar. Die Kamera zeichnet als elektronischer Unfallzeuge automatisch die Verkehrssituation im vorderen Busbereich auf. Sie filmt den Unfall und dessen Begleitumstände und speichert alle relevanten Informationen, wie etwa die Geschwindigkeit des Busses. Die Auswertung kann ein Mitarbeiter des Busunternehmens in Form von Einzelbildern oder als Videofilm selbst über einen PC vornehmen. Die Videos werden für kurze Zeit nachgehalten und anschließend gelöscht. In die Entwicklung der Spezialkamera für Omnibusse flossen Wünsche von Busunternehmern ein, betont Dittmeier, der die Kamera seinen Kunden zur Verfügung stellt.
Auch der ADAC bewertet das BGH-Urteil positiv, es decke sich „mit der Forderung des ADAC, dass zumindest kurze anlassbezogene Aufnahmen von Unfällen im Straßenverkehr zur Klärung der Schuldfrage bei Gerichtsverfahren verwendet werden dürfen. Wer nur situativ aufnimmt, sollte diese Aufnahmen auch in einem späteren Verfahren einbringen dürfen“, schreibt der Automobilclub, warnt jedoch auch: „Geht es jedoch nur darum, wahllos Beweismittel zu sammeln, um als Hilfssheriff die Verkehrsverstöße anderer anzuzeigen, so überwiegt der Datenschutz. Derartige Aufnahmen sollten daher verboten bleiben.“
So hat auch das Bayerische Landesamt für Datenaufsicht bereits angekündigt, dass es in Zukunft bei Kenntnis der Weitergabe der mit einer Dashcam aufgenommenen Videofilme an Polizei, Versicherung oder Internet prüfen werde, ob im konkreten Fall der Erlass eines Bußgeldbescheides angezeigt ist. Der gesetzlich festgelegte Bußgeldrahmen für derartige Verstöße belaufe sich „auf bis zu 300.000 Euro“. Nach Informationen des ADAC wurden in Hessen erstmals Bußgelder verhängt. „Da mit den Aufnahmen kein wirtschaftlicher Vorteil verfolgt wurde, hielt sich das Bußgeld jedoch im unteren Rahmen“, heißt es weiter.
Der ADAC weist darauf hin, dass auch im europäischen Ausland in den meisten Ländern bislang konkrete gesetzliche Regelungen zur Verwendung von Dashcams fehlen. Nach Ansicht des ADAC – der sich auf Auskünfte der jeweiligen Automobilclubs beruft – ist eine Verwendung in folgenden Ländern unproblematisch:
Bosnien-Herzegowina, Dänemark, Finnland, Frankreich (soll die Aufnahme als Beweismittel verwendet werden, sind andere Unfallbeteiligte unmittelbar nach dem Unfall über die Aufnahmen zu informieren), Großbritannien, Italien, Malta, Niederlande, Norwegen (lediglich für den privaten Gebrauch, Fahrer darf hiervon nicht abgelenkt sein), Polen, Schweden (die Kamera muss leicht entfernbar sein und die Aufnahmen müssen regelmäßig überschrieben werden), Serbien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn (Kamera sollte nur eine geringe Auflösung aufweisen, nicht benötigte Daten sollten nach fünf Tagen gelöscht werden und gegen den Zugriff unbefugter Dritter geschützt sein).
Von einer Verwendung abgeraten wird vom ADAC in den Ländern Belgien, Luxemburg, Portugal sowie der Schweiz. Nur mit Genehmigung ist es in Österreich möglich. Der Automobilclub betont in diesem Zusammenhang, dass sich die Diskussion in vielen Ländern noch im Anfangsstadium befinde, daher seien kurzfristige Änderungen der Rechtslage „in den einzelnen Ländern möglich“.
Volltext zum Urteil VI ZR 233/17:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&client=12&pos=0&anz=1&Blank=1.pdf&nr=85141
Text: Thomas Burgert
Bildquelle: Dittmeier Versicherungsmakler