Die Diskussion um Dieselfahrverbote in deutschen Städten, ÖPNV-Angebote für den ländlichen Raum, das Mobility-Package der Europäischen Union, Elektromobilität und der Megatrend Digitalisierung – dies waren einige der Themen, die bei der Jahrestagung des Verbands Baden-Württembergsicher Omnibusunternehmer (WBO) vor kurzem in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle diskutiert wurden. Es war eine Veranstaltung, die nicht nur thematisch eine große Breite an verkehrspolitischen Themen abdeckte, sondern bei der auch von politischer Seite hochranginge Vertreter aus Bundes- und Kommunalpolitik teilnahmen.
Hauptredner und anschließend Teilnehmer bei einer Podiumsdiskussion war Cem Özdemir (Grüne), Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags und er bezog vor den rund 200 Zuhörern deutlich Position zur Frage der Fahrverbote für Dieselfahrzeuge: „Ich will keine Fahrverbote, um das hier klar zu sagen. Sie lösen die Probleme nicht, sondern verlagern sie bloß“, betonte Özdemir. Die bisherigen Aktionen der Bundesregierung und die bereits abgehaltenen „Dieselgipfel“ bezeichnete der Grünen-Abgeordnete als „kolossales Politikversagen“ und nahm dabei auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ins Visier, den er als „Fahrverbotsminister“ bezeichnete, da Scheuer Vorschlägen wie der Einführung einer blauen Plakette oder einer Hardware-Nachrüstung bei Pkw stets ablehnend gegenüberstehe. „Und wenn der Verkehrsminister halt zu jedem Vorschlag ‚Nein’ sagt, bleiben am Ende nur noch Fahrverbote“, kritisierte Özdemir.
Was die Verbesserung der Luftqualität in den Städten angehe, müsse hier das Verursacherprinzip greifen, was bedeute, dass die Politik die Autohersteller stärker in die Pflicht nehmen müsse. Zudem bezeichnete Özdemir Busse als Teil der Lösung, wenn es darum gehe, die Emissions-Grenzwerte einzuhalten.
Auch Stuttgarts grüner Oberbürgermeister Fritz Kuhn sparte nicht mit Seitenhieben gegen Bundesverkehrsminister Scheuer. Dessen Forderung nach einer Nachrüstung von Dieselbussen („Scheuer tut so, als müssten nur die Busse nachgerüstet werden“), während der Bundesverkehrsminister eine Nachrüstung beim Pkw ablehne, ginge in die falsche Richtung. Weiterhin erklärte Kuhn, er werde es nicht hinnehmen, dass Scheuer den Städten in Sachen Fahrverbote den Schwarzen Peter zuschiebe. Kuhn war es dann, der in der Schleyer-Halle das Thema Einsatz von E-Bussen im städtischen ÖPNV ansprach und all diejenigen kritisierte, die hier eine Umstellung auf E-Mobilität auf die Schnelle fordern. Auch mit „Hauruck-Programmen des Bundes“ sei dies nicht realistisch, da die hierfür benötigten E-Busse weder in ausreichender Zahl, noch mit der notwendigen Technologie zur Verfügung stünden.
Mit den beiden Rednern Cem Özdemir und Fritz Kuhn hatte die Veranstaltung des WBO bereits eine sichtlich grüne Note. Und was die Zahl der politischen Vertretern im Saal angeht, so sorgten die grüner Landespolitiker, u. a. der Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz, für ein deutliches grünes Übergewicht, so dass man fast schon den Eindruck gewinnen konnte, die anderen Fraktionen des Landtags sind gar nicht präsent. Ein Umstand, der von Özdemir mit den Worten „bei der Zahl der Abgeordneten gibt es ja ein grünes Übergewicht hier im Saal, aber das entspricht ja auch den Mehrheitsverhältnissen hier im Land“, mit sichtlich Genuss kommentiert wurde. Übrigens auch eine Entwicklung, die man sich vor einigen Jahren bei einer Jahrestagung der Busunternehmer im Ländle nur schwer hätte vorstellen können.
Es schien dies gut zu passen, denn munter, aber auch harmonisch verlief die von WBO-Geschäftsführer Witgar Webermoderierte Podiumsdiskussion zwischen Cem Özdemir, Christiane Leonard (Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer) und dem WBO-Vorsitzenden Klaus Sedelmeier. Auch Leonard und Sedelmeier kritisierten hier die Förderprogramme, die der Bund aufgelegt hat, um die Elektrifizierung der Busflotten zu forcieren. So wie diese Förderung ausgestaltet sei, erreiche sie den Mittelstand nicht. Besonders die Tatsache, dass eine Bundesförderung erst ab einer Anschaffung von sechs Bussen möglich ist, sei eine hohe Hürde für mittelständische Unternehmen, für de eine solche Investition nicht zu stemmen sei. „Die Förderprogramme in allen Ehren, aber es muss mittelstandsfreundlich sein, sagte Sedelmeier.
Özdemir betonte, dass der Bus bei einer Verkehrswende eine wichtige Rolle spielen müsse. Beim Ziel, mehr Menschen zum Umsteigen vom Pkw auf den ÖPNV zu bewegen, werde es ohne den Bus nicht gehen, sagte der Grünen-Politiker. Bei soviel Lob für das Verkehrsmittel Bus, fragte Moderator Weber schließlich, warum denn das Herz der Politik dem Schienenverkehr und nicht dem Bus gehöre? „Nein, das ist nicht so“, entgegnete Özdemir. Es gehe stets darum, das Verkehrsmittel zu wählen, das am besten passt. Er sehe beim Verkehr grundsätzlich ein großes Potenzial für eine Verlagerung vom Pkw hin zu Bus und Bahn.
BDO-Hauptgeschäftsführerin Christiane Leonard hakte hier ein und erwähnte, dass der Bus im Parlament durchaus immer wieder ins Hintertreffen gerate. So gebe es beispielsweise zwar je einen Parlamentskreis Schiene, Fahrrad, Fuß und inzwischen sogar Pferd (!), nicht jedoch einen Parlamentskreis Bus. Die Anregung, einen solchen zu installieren gab sie Cem Özdemir zum Abschied quasi mit auf den Weg.
Foto: Podiumsdiskussion mit Moderator Witgar Weber, Cem Özdemir, BDO-Hauptgeschäftsführerin Christiane Leonard und dem WBO-Vorsitzenden Klaus Sedelmeier (v.l.n.r.)
Text und Bildquelle: Thomas Burgert