Meistens geht dieses Aufeinandertreffen von Wild und Fahrzeug, zumindest für den Menschen, ja glimpflich aus. Aber: Rund 275000 Unfälle, 2924 davon mit Personenschäden und zehn Toten, registrierte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2017. Auch die Sachschäden summieren sich. Wie der Branchenverband ermittelte, zahlten die Versicherer im vorletzten Jahr 744 Mio. Euro an ihre Kunden in Folge von Wildunfällen aus. Auch größere Fahrzeuge, wie Bus und Lkw, sind vor dieser Gefahr nicht gefeit. Ein Wildschwein bringt gut und gerne 100 kg auf die Waage. Durch die Aufprallgeschwindigkeit wirken diese schon bei geringem Tempo wie Tonnen.
Belastbare Zahlen, wie oft es zu Busunfällen durch Wild kommt, gibt es nicht. Doch immer wieder finden sich spektakuläre Fälle in den Medien. So zum Beispiel im Oktober 2015 in Kärnten in Österreich. Ein stattlicher Hirsch krachte durch die Windschutzscheibe eines Busses. Der Fahrer schaffte es, trotz des wild um sich schlagenden Tieres, das Fahrzeug zum Stehen zu bringen. Anschließend flüchtete er mit dem einzigen Fahrgast in den hinteren Teil des Busses. Da die Handbremse nicht angezogen war, rollte der Bus rückwärts eine Böschung herunter, fing sich glücklicherweise aber an einem Baum. Menschen und Tier verließen das Fahrzeug durch die Hintertür. In diesem Fall kamen alle Beteiligten mit dem Schrecken davon. Der Sachschaden belief sich jedoch auf 15.000 Euro.
Seit über 20 Jahren wird geforscht, wie Wildunfälle vermieden oder zumindest zahlenmäßig reduziert werden können. Da zierten Silberpapierstreifen die Straßen, CDs wurden aufgehängt in der Hoffnung, das Wild würde durch die Rückspiegelung der Fahrzeuglichter verschreckt werden. Eine Schutzmaßnahme hat sich entlang vieler Autobahnen durchgesetzt. Lange Wildschutzzäune hindern dort das Wild am Passieren und lenken es auf sogenannte Wildbrücken um. Auf diesen begrünten breiten Autobahnbrücken können die Tiere dann ungefährdet auf die andere Seite der Straße wechseln. Allerdings ist dieses Konzept an Landstraßen leider nicht umsetzbar.
Dort haben sich in den letzten Jahren neue optische Wildwarner etabliert. Die blauen oder weißen Reflektoren findet man mittlerweile an vielen Streckenabschnitten. Sie sind an den Leitpfosten befestigt und werfen das Scheinwerferlicht der herankommenden Fahrzeuge in einem bestimmten Winkel zurück. Dadurch soll eine Lichtschranke erzeugt werden, die die Tiere abschreckt und am Queren der Straße hindert. Die Wirkung ist allerdings umstritten, denn eine gerade veröffentlichte Studie des GDV konnte keine positive Wirkung feststellen. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr Mecklenburg-Vorpommern konnte auf Nachfrage ebenfalls keinen nachweisbaren Effekt verzeichnen.
Sachsen-Anhalt geht nun neue Wege und testet als erstes Bundesland in Zusammenarbeit mit dem ADAC, der Polizei und der Jägerschaft eine neue Generation Wildwarner. Diese werden ebenfalls an den Leitplanken befestigt, sind aber zusätzlich mit einem akustischen Sensor ausgestattet, der auf Fahrgeräusche reagiert. Nähert sich ein Fahrzeug, senden die Warner Lichtblitze und Pfeiftöne aus und sollen Wildtiere so auf Abstand halten. Die genaue Wirkungsweise erklären wir am Schluss des Beitrages.
In Deutschland ist dieses Projekt neu, in Österreich wurden vergleichbare Geräte aber schon erfolgreich getestet. Laut aktueller Zahlen von Dr. Ernst Moser, Mitglied des Oberösterreichischen Landesjagdverbandes, haben sich dort die Unfallzahlen um mehr als 80 % reduziert. Gab es auf den ausgerüsteten Test-Strecken 2016 noch 1.962 Wildunfälle, kam es 2017 nur noch 389 Mal zum Crash.
Der Vorteil dieser Schutzmaßnahmen ist, dass hierbei die natürliche Wildbewegung nicht grundsätzlich eingeschränkt wird. Reh und Hirsch werden lediglich abgeschreckt, wenn ein Fahrzeug in der Nähe ist. So beugen die Geräte auch einem Gewöhnungseffekt vor. Das Pilotprojekt ist auf drei Jahre ausgelegt. Sollte es sich als Erfolg erweisen, wäre das ein Durchbruch im Wildschutz. Aber bis es belastbare Ergebnisse auch in Deutschland gibt, ist Geduld gefragt.
Spannend sind zudem Ansätze, die komplett auf Technik verzichten und sich am natürlichen Verhalten der Tiere orientieren. Dabei werden verschiedene Faktoren, wie Wasservorkommen, Salzquellen, Futterwiesen und Bewegungsmuster, über einen längeren Zeitraum analysiert und entsprechende Maßnahmen abgeleitet. So kann die Platzierung einer Trinkgelegenheit in einem bestimmten Areal dazu führen, dass das Wild einen Straßenabschnitt nicht mehr queren muss, da nun Wasser direkt verfügbar ist. Allerdings kann dies nur unterstützend wirken, da es mit einem großen Aufwand verbunden ist und auch nicht alle Faktoren berücksichtigt werden können.
In manchen Gegenden setzen die Behörden auf die Rodung der Seitenstreifen in einer Breite von 5 bis 10 m. So können Fahrer Wild früher wahrnehmen und bremsen. Auch die Tiere erkennen eher die Gefahr und können ausweichen. Was dabei aber offenbar vergessen wird – diese Seitenstreifen lassen eine weite Sicht zu, was dem Wild Sicherheit suggeriert. Zudem wachsen dort häufig kleine Schösslinge und andere Pflanzen, die wie ein Kuchenbuffet für Paarhufer locken.
2014 hatte ein bayerischer Student selbst einen Wildunfall und dadurch die Idee zu einer App (www.wuidi.com), die beim Fahrer ansetzt. Das Ganze funktioniert über Big Data – also die Auswertung unzähliger Datensätze. Jäger und Verkehrsteilnehmer pflegen Unfälle und Wildsichtungen ein. Die App errechnet aus diesen Daten zeit- und ortsabhängig das Risiko eines Wildwechsels und warnt den Nutzer per Signalton. Da die App auf dem Handy im Hintergrund laufen kann, ist eine Bedienung während der Fahrt nicht nötig. Sollte es doch zum Unfall kommen, lotst die App den Fahrer durch alle weiteren Schritte und nennt auch den direkten Ansprechpartner. Das ist für Jäger und Förster ein Vorteil. So erfahren sie umgehend, wo sie gebraucht werden, um sich um das vierbeinige Unfallopfer zu kümmern. Die kostenfreie App wurde mehrere Jahre in Bayern getestet und nun auf das gesamte Bundesgebiet erweitert. Dieser Erfindergeist wurde 2017 belohnt – mit dem Deutschen Mobilitätspreis im Bereich best practice.
Eines haben alle Maßnahmen gemeinsam – sie werden nie komplett einen Wildwechsel unterbinden können. Spätestens, wenn Wildtiere im Fluchtmodus sind, reagieren sie auf keine äußeren Reize, sondern stürmen ungebremst auf die Straße.
Was tun, wenn sich ein Unfall doch nicht vermeiden lässt? Nicht versuchen, dem Wild auszuweichen, so die klare Empfehlung der Experten vom ADAC. Denn selbst ein großes Reh verursacht sicher weniger Schaden, als wenn man durch unbedachte Lenkbewegungen in den Gegenverkehr oder an einen Baum gerät. Das Lenkrad sollte gut festgehalten und stark gebremst werden. Ist es zur Kollision gekommen, heißt es: Warnblinker ein, Warnweste anziehen und Unfallstrecke mit dem Warndreieck sowie gegebenenfalls mit einer Warnleuchte sichern. Anschließend muss die Polizei unter der Rufnummer 110 verständigt werden. Sollte das Tier nur verletzt sein – nicht anfassen! Das Verletzungsrisiko, falls das Tier beißt oder um sich schlägt, ist zu hoch. Ist es tot, kann man versuchen, es von der Straße zu ziehen. Dabei sollten unbedingt Handschuhe genutzt werden, um sich vor Tollwut zu schützen. Während man auf die Polizei wartet, kann man mit der Handykamera versuchen, den Unfallhergang zu dokumentieren. Einfach weiter zu fahren ist keine gute Idee. Von der Polizei erhält man eine Wildunfallbescheinigung, die für die Versicherung hilfreich ist. Darüber hinaus ist Ihre Aussage wichtig, um zum Beispiel ein verletztes, aber flüchtiges Tier aufzuspüren und von unnötigen Qualen zu erlösen. Wer sich einfach vom Unfallort entfernt, kann sich strafbar machen.
Gerade in der Zeit von Herbst bis Frühjahr sollte man sehr aufmerksam fahren. Die meisten Tiere sind dämmerungsaktiv. Man sollte also rechtzeitig das Licht einschalten. Stellen, an denen viel Wild unterwegs ist, erkennt man an den entsprechenden Schildern. Auch blaue Reflektoren an den Leitpfosten zeigen: hier ist ein Wildwechsel zu erwarten. Wenn man mit 100 km/h unterwegs ist und Wild in 30 m Entfernung sieht, hat man die Strecke in einer Sekunde passiert – zu schnell, um noch reagieren zu können. Man sollte also langsamer fahren und den Seitenstreifen im Blick behalten. Wenn Wild zu sehen ist – runter vom Gas und vor allem abblenden. Von Fernlicht wird das Wild stark geblendet und erkennt keinen Fluchtweg mehr. Es wird also eher auf der Straße stehen bleiben oder panisch reagieren. Die meisten Tiere sind in Gruppen unterwegs. Es kann also immer sein, dass noch weitere Exemplare die Straße kreuzen.
Wildwarner - die Funktionsweise
Die eingesetzten Wildwarner werden wie gewohnt entlang der Strecke an den Leitpfosten befestigt. Sie sind mit einem optischen Sensor, der auf Licht reagiert, sowie zusätzlich einem akustischen Sensor, der Fahrgeräusche erkennt, ausgestattet. Wird ein Sensor durch ein heranfahrendes Fahrzeug aktiviert, gibt die Warneinheit einen Pfeifton von sich und sendet Lichtblitze aus. Beides soll das Wild vom Queren der Fahrbahn abhalten. Gleichzeitig wird ein Datensignal mittels Funk gesendet, das die im Umkreis von circa 100 m stehenden Warner aktiviert. So ist die Vorwarnzeit für die Tiere noch höher. Bewegt sich das Fahrzeug auf der Strecke, wandert der Schall- und Lichtzaun quasi mit. Durch die Aktivierung mittels Datensignal können die Warneinheiten auch von der Straße versetzt gestellt werden – ein Vorteil bei Böschungen oder anderem schwierigen Gelände. Der Day & Night benannte Warner der Firma Dehako aus Österreich kostet gute 110 Euro und hat einen verhältnismäßig geringen Wartungsaufwand. Die Stromversorgung erfolgt mittels eines Solarmoduls.
Text: Ina Mewes
Bildquelle: Foto: Kauer/DJV