Im Januar findet in Las Vegas mit der Consumer Electronics Show (CES) alljährlich eine Messe statt, die auch für den Mobilitätsbereich immer mehr an Bedeutung gewinnt. So zeigte in diesem Jahr der Technologiekonzern ZF auf der CES seine Ideen für den Bereich automatisiertes- und autonomes Fahren auf. Bei ZF ist man überzeugt, dass automatisiertes und autonomes Fahren den Verkehr der Zukunft „sicherer, effizienter und komfortabler“ machen wird, weshalb der ZF-Vorstandsvorsitzende Wolf-Henning Scheider auch in Las Vegas betonte: „ZF bietet komplette Systeme mit unterschiedlichen Leistungsstufen an und ist mit Lösungen für Pkw, Nutzfahrzeuge und Industrietechnik in allen relevanten Anwendungsfeldern aktiv.“
Speziell im Nutzfahrzeugbereich hat man bei ZF „schon jetzt eine Nachfrage nach Systemen“ ausgemacht, die „vollautomatisiertes Fahren nach Level 4 und höher in wenigen Jahren möglich machen«, erklärte Scheider. Nutzfahrzeuge könnten bereits heute auf geschlossenen Arealen oder abgegrenzten Fahrspuren vollautomatisiert fahren. Zudem würden sich durch fahrerlosen Transport auf Betriebshöfen oder bei der städtischen Personenbeförderung Einsparpotenziale ergeben, die zu einer raschen Amortisierung der Systemkosten führen würden.
In Deutschland testen denn auch mehrere Verkehrsunternehmen bereits autonom fahrende Fahrzeuge. So rollen elektrisch betriebe Shuttles beispielsweise im bayerischen Bad Birnbach oder in Berlin über die Straßen. Und in Osnabrück haben die Stadtwerke im Zuge einer zweiten Testphase des autonom fahrenden Shuttles ihren Betrieb ausgeweitet. Das Fahrzeug mit Namen „Hubi“ ist hier auf öffentlichen Straßen unterwegs und dient dabei auch als Zubringer- und Abholshuttle auf Bestellung für eine Buslinie.
Während der knapp fünf Monate dauernden ersten Testphase sei „Hubi“ auf dem zentralen Betriebsgelände der Stadtwerke weitgehend störungsfrei unterwegs gewesen, erklärte das Unternehmen. Auch zukünftig wird eine Begleitperson an Bord sein, die bei Bedarf eingreifen kann – wie auch bei anderen Pilotprojekten. Die Geschwindigkeit dieser Testfahrzeuge ist bisher noch alles andere als atemberaubend, so ist beispielsweise „Hubi“ in Osnabrück mit einer Maximalgeschwindigkeit von 15 km/h unterwegs.
Die Technik ist bei solchen Projekten die eine Seite, die rechtlichen Rahmenbedingungen machen das Ganze aber oft nicht unbedingt leichter. So sei allein das Genehmigungsverfahren „sehr komplex und umfangreich“ gewesen, sagte Werner Linnenbrink, Leiter Mobilitätsangebot bei den Stadtwerken Osnabrück. So habe die Stadt Osnabrück für die jetzige Testphase ein Parkverbot entlang des gesamten Rundkurses sowie ein Tempolimit von 30 km/h auf der Straße eingerichtet, auf welcher „Hubi“ nun unterwegs ist, zählte Linnenbrick als Beispiel auf, bei dem es auf die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren ankam.
Während die Industrie auf die großen Chancen verweist, die automatisiertes Fahren bietet und bei den Verkehrsbetrieben bereits getestet wird, dauern die laufenden juristischen und politischen Prozesse zur Schaffung eines Rechtsrahmens weiter an. Diese Arbeiten „zur Ermöglichung des autonomen Fahrens in spezifischen Anwendungsfällen“ seien „noch nicht abgeschlossen“, teilte die Bundesregierung Anfang Januar 2020 auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag mit. Laut der Bundesregierung bereite eine Arbeitsgruppe der Nationalen Plattform „Zukunft der Mobilität“, die den Namen „Digitalisierung für den Mobilitätssektor“ trägt, derzeit die Durchführung eines sogenannten „Reallabors“ der digitalen Mobilität vor. Das klingt jetzt nicht unbedingt so, als sei hier richtig Tempo drin – kein Wunder also, dass laut einer Allensbach-Umfrage eine überwältigende Mehrheit der Deutschen der Bundesregierung nicht zutraut, den digitalen Wandel hinzukriegen.
Diese Regierung fördert immerhin im Rahmen des Förderprogramms „mFund“ die Entwicklung datenbezogener Mobilitätskonzepte durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), erklärte die Bundesregierung. Durch die Novelle des Personenbeförderungsrechts will man dann dafür sorgen, dass plattformbasierte und digital vermittelte Mobilitätsangebote gestärkt werden und eine rechtssichere Grundlage für ihre Zulassung erhalten, „um das Mobilitätsangebot für den Verbraucher in Stadt und Land zu verbessern“.
Diese Verbraucher zeigen sich aber durchaus ein wenig vorsichtig in Bezug auf das automatisierte und autonome Fahren. Zumindest legen dies zwei Akzeptanzstudien nahe, die im Dezember 2019 und im Januar 2020 veröffentlicht wurden.
So kommt die Studie „Automatisiertes Fahren in der Smart City“, die der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) veröffentlicht hat, zu dem Ergebnis, dass die Bevölkerung dem autonomen Fahren im ÖPNV derzeit noch skeptisch gegenüber steht. Demnach würde es derzeit nur jede vierte befragte Person begrüßen, wenn der ÖPNV in Zukunft komplett ohne Fahrer betrieben würde. Eine deutliche Mehrheit der Befragten von 68 % spreche sich sogar gegen einen fahrerlosen Nahverkehr aus. Besonders skeptisch zeigen sich dabei die älteren Befragten mit einem Alter ab 60 Jahren.
Die Studie zeigt aber auch, dass automatisiertes Fahren erhebliche Verbesserungen in den Bereichen Klimaschutz, Verkehrssicherheit und in Form von adäquaten Mobilitätskonzepten nach sich ziehen würde.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Studie des Bundesverbands IT-Mittelstand (BITMI). Die Untersuchung zeigt zwar, dass der Markt potenzieller Fahrgäste für Angebote mit autonom fahrenden Bussen recht groß ist. So finden rund 80 % der Befragten einen solchen Service generell gut. Die Schattenseite ist jedoch, dass weniger als die Hälfte der Befragten (40 %) bereit wären „ohne Vorbehalte in einen Bus ohne Fahrer einzusteigen“. Die Ergebnisse zeigen somit eine große Diskrepanz zwischen grundsätzlich positiver Einstellung zu den autonomen Fahrzeugen und der Bereitschaft sie selbst zu nutzen.
Denn laut den Befragungsergebnissen wird der Bus vorrangig als Alternative im Mobilitätsangebot gesehen. Eine Mehrheit von 63 % würden ihn nutzen, wenn „die üblichen Verkehrsmittel“ – womit in erster Linie der eigene Pkw gemeint ist – gerade nicht zur Verfügung stünden. Und nur noch 25 % nennen das tägliche Pendeln zur Arbeit, zur Uni oder Schule als Weg, den man sich mit dem autonom fahrenden Bus vorstellen kann. Ein Großteil der Befragten kann sich die Nutzung des Busses also nur für Gelegenheitsfahrten vorstellen.
Eine wesentliche Ursache für diese Skepsis ist laut der BITMI-Studie die Tatsache, dass das Mobilitätsverhalten der Deutschen wesentlich vom privaten Pkw bestimmt ist. Trotz positiver Assoziationen würde daher die Mehrheit der Befragten einen autonomen Bus eben nur für Gelegenheitsfahrten nutzen wollen – wenn der eigene Pkw nicht zur Verfügung steht.
Trotzdem zeigen sich die Macher der Studie davon überzeugt, dass ein Mobilitätswandel nicht aufzuhalten ist. „Unsere tägliche Fortbewegung und der technische Fortschritt verlangen nach neuen Mobilitätskonzepten. Die Technologie des autonomen Fahrens auf Basis von KI wird in Zukunft für sicherere Straßen sorgen“, ist es für BITMI-Präsident Oliver Grün ausgemachte Sache, dass die Art der Fortbewegung sich künftig ändern wird.
Text: Thomas Burgert
Bild: In Osnabrück befindet sich der Shuttle „Hubi“ in Testphase Zwei
Bildquelle: Stadtwerke Osnabrück