Neues Recht bringt immer auch neue Rechtsunsicherheiten mit sich“, sagte die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ zum Inkrafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) am 25. Mai 2018. Gleichzeitig warnte sie vor einer „großen Panikmache“ im Zusammenhang mit den neuen Regelungen. Mit der DSGVO verbunden sind aber künftig auch hohe Bußgelder, die bei Datenschutzverstößen fällig werden. Bis zu 20 Mio. Euro oder 4 % des Jahresumsatzes werden angedroht.
Und solche Verstoß-Fallen können an Stellen lauern, an die man im Zusammenhang mit Datenschutz und Verarbeitung personenbezogener Daten nicht unbedingt zuerst denkt – beim Fotografieren beispielsweise. Sei es bei der Verwendung von Fotos im Reisekatalog, auf der unternehmenseigenen Website, Online-Newslettern oder auch bei Social-Media-Auftritten des Unternehmens – überall werden oft Fotos verwendet, auf denen oft auch Personen zu sehen sind. Jede Anfertigung eines digitalen Fotos – sowie auch eines digitalen Videos – auf dem Menschen erkennbar abgebildet sind, gilt mit Inkrafttreten der DSGVO nun als Erhebung personenbezogener Daten.
Zu der damit verbundenen Problematik nahm inzwischen auch die EU-Kommission auf Nachfrage eines Fotografen hin Stellung: „Fotos, die Personen abbilden, enthalten personenbezogene Daten. Selbst, wenn das Foto der Person ohne den Namen der abgebildeten Person veröffentlicht wird, ist diese Person bei einer Zuordnung des Namens identifizierbar. Dafür genügt es, wenn einzelne Betrachter den Namen zuordnen können, wenn sie das Bild sehen.“ Damit unterliege auch die Weiterleitung dieser Daten – also der digitalen Fotos - an einen Dienstleister und dessen Verarbeitung den Vorschriften der DSGVO. Dies gelte auch dann, wenn „mit den Fotos nicht die Namen der abgebildeten Person weitergeleitet werden.“
Digitale Fotos von erkennbaren Personen gelten also generell als personenbezogene Daten und für eine Identifizierung reicht es schon, wenn „einzelne Betrachter den Namen zuordnen können, wenn sie das Bild sehen“. Das Fotografieren selbst ist also eine Erhebung von Daten und die DSGVO gilt nach Art. 2 Abs. 1 auch „für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.“ Jede nach der Anfertigung eines Fotos vorgenommene Speicherung, Vermarktung und Veröffentlichung gilt damit als eine Verarbeitung personenbezogener Daten.
Wie ist damit künftig also umzugehen? Grundsätzlich muss beim Fotografieren und Veröffentlichen von Fotos, auf denen Personen abgebildet sind, eine Erlaubnis der Betreffenden eingeholt werden – was bisher auch schon der Fall war. Unsicherheit gab es nun im Vorfeld des Inkrafttretens der DSGVO über die Frage, inwieweit es – ebenfalls wie bisher – Ausnahmen gibt und wie weit andere bestehende Regelungen von der DSGVO betroffen sind.
Schließlich ist es nicht immer möglich, eine Einwilligung aller Personen einzuholen – man denke nur an Großveranstaltungen wie Opernfestspiele oder ein Weihnachtsmarkt, bei denen man die Szene fotografieren will, an Straßenszenen oder aber auch an Messen und Workshops. Hier ist es völlig unrealistisch, von jedem beteiligten eine Einwilligung einzuholen. Zudem könnte diese – bei Geltung der DSGVO – ja auch jederzeit wieder wiederrufen werden. Kritiker haben daher auch schon ein Ende der Fotografie beschworen, wie wir sie bisher kennen. Vor allem aber betrifft es auch die Fotos, die in sozialen Netzwerken milliardenfach ins Netz gespült werden.
Die Problematik wurde auf der Zielgeraden dann offensichtlich auch von der Bundesregierung erkannt. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat veröffentlichte zum Thema DSGVO und Fotografie Anfang Mai 2018 eine ausführliche Erklärung, die Sicherheit schaffen soll. Demnach wird sich das Anfertigen von Fotografien auch zukünftig auf eine – wie bislang schon – jederzeit widerrufbare Einwilligung oder aber auf – und hier wird es interessant – „alternative Erlaubnistatbestände wie die Ausübung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO) stützen können“.
Diese Erlaubnistatbestände decke nach Ansicht des Ministeriums seit vielen Jahren datenschutzrechtlich die Tätigkeit von Fotografen ab und „werden in Art. 6 DSGVO fortgeführt“, es brauche also keine neuen Regelungen. Die DSGVO betone hingegen, dass „der Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist, sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden“ müsse, schreibt das Innenministerium.
Die Annahme, dass die DSGVO dem Anfertigen von Fotografien entgegenstehe, sei „daher unzutreffend“, heißt es dann weiter und zum Thema nötige Regelungen, bleibe für die Veröffentlichung von Fotografien das Kunsturhebergesetz (KUG) auch unter der ab dem 25. Mai 2018 anwendbaren DSGVO erhalten. „Es sind keine Änderungen oder gar eine Aufhebung mit Blick auf die Datenschutz-Grundverordnung vorgesehen“, heißt es nun ganz klar und seitens des Ministeriums wird weiter wird präzisiert: „Die Ansicht, das Kunsturhebergesetz werde durch die DSGVO ab dem 25. Mai 2018 verdrängt, ist falsch. Das Kunsturhebergesetz stützt sich auf Artikel 85 Abs. 1 DS-GVO, der den Mitgliedstaaten nationale Gestaltungsspielräume bei dem Ausgleich zwischen Datenschutz und der Meinungs- und Informationsfreiheit eröffnet.“ Das Kunsturhebergesetz stehe daher nicht im Widerspruch zur DSGVO, sondern füge sich „als Teil der deutschen Anpassungsgesetzgebung in das System der DSGVO ein“.
Als „erfreulich“ bezeichnet die Kölner Kanzlei „Wilde Beuger Solmecke“ auf seiner Website diese Äußerung des Ministeriums. Zumindest die Veröffentlichung einer Fotografie „unterfalle“ weiterhin dem KUG und nicht der DSGVO und dies „unabhängig von einem gesetzlichen Medienprivileg“. Unter Juristen sei diese Position bisher eher als „Mindermeinung“ angesehen worden, doch hält die Kanzlei diese Auffassung „für juristisch korrekt und absolut wünschenswert“. Nach Ansicht der Juristen können sich damit „Verarbeiter, die Fotografien veröffentlichen, zumindest in diesem Rahmen weiterhin auf das KUG stützen“.
Der Berufsverband Freier Fotografen und Filmgestalter (BFF) reagierte ebenfalls auf das Schreiben des Ministeriums und gab zumindest teilweise Entwarnung. Dessen Justiziarin Dorothe Lanc sagte in einer aktuellen Einschätzung zum Statement des Innenministeriums, dass „auch nach dem 25. Mai 2018 das Fotografieren von Personen in Situationen, in denen sich praktisch keine Einwilligung einholen lässt, erlaubt“ sei.
Gleichwohl gelte aber weiterhin, dass „ansonsten wie bisher auch, Einwilligungen von Abgebildeten einzuholen sind und diese eine separate Datenschutzerklärung vorsehen müssen“. Und auch der Blog rechtambild.de schreibt: „Daher kann mit gutem Gewissen bereits hier ein Strich gezogen und vertreten werden: Auch bei gewerbsmäßiger Personenfotografie gelten weiterhin die §§ 22, 23 KUG.“
Also allgemein Entwarnung und war alles nur „große Panikmache“, vor der die Datenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff gewarnt hat? Die ebenfalls von ihr angesprochene Rechtsunsicherheit bleibt zumindest teilweise, denn es gibt auch Juristen, die durchaus eine Diskrepanz zwischen dem Anfertigen eines personenbezogenen Fotos und dessen Verarbeitung erkennen wollen. Während für die Verarbeitung das Kunsturhebergesetz gelte (siehe Erklärung des Ministeriums), falle das Anfertigen des Fotos fortan unter die DSGVO und damit wäre eine etwaige Einwilligung frei widerruflich. In der Praxis wird das wohl die Rechtsprechung klären müssen.
Eine erste aktuelle Entscheidung eines Gerichts gibt es mittlerweile auch. Das OLG Köln hat in einem Fall zugunsten des Kunsturhebergesetzes entschieden. Die Beschwerde, die sich auf das DSGVO stützte ging nach der Entscheidung fehl. https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koeln/j2018/15_W_27_18_Beschluss_20180618.html
Text: Thomas Burgert
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