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Neoplan Skyliner: Ein Bus, der es in sich hat

Datum: Quelle: BUSMAGAZIN

So langsam kommt er ins Rollen nach seiner schweren Geburt, die ihn 2015 erst auf die Straßen Europas entließ. Immer häufiger ist er nun zu sehen, stolze 180 Exemplare wurden 2018 verkauft. Für 2019 haben sie sich gar noch mehr vorgenommen, und das mit durchaus guten Chancen. Grund genug, die neueste Version des Neoplan-Doppeldeckers von der letzten IAA, ausstaffiert mit den letzten technischen Highlights der Branche und der bewegten Geschichte von 52 Jahren einer Markenikone, wieder einmal zu bewegen, und das unter erschwerten Bedingungen: Schwedische Kälte, eisige Straßenbeschaffenheit und winterliche Dunkelheit stellen sich dem Riesen nahe des Polarkreises im lappländischen Skeleftea in den Weg. Besonders spannend ist es, den Koloss mit dem neuen Kamerasystem „OptiView“, das hier oben auch getestet wird, und den modernen LED-„Angel Eyes“ in der typischen Neoplan Adleraugenform mal über vereiste Straßen zu steuern ­– mit lauernden Elchen an jeder Waldlichtung. Auch wenn die Straßen hier seitlich und mittig mit kleinen Metallzäunen gesichert sind.

Seit 2015 konnte sich der Kapazitäts- und Effizienz-König Neoplan Skyliner (als erster Reisedoppeldecker vor 52 Jahren gestartet und Begründer der Klasse) einen festen Platz im boomenden Segment der Doppeldecker erobern, und der alte Zweikampf mit dem Setra-Pendant lebt wieder unvermindert. Die Fernlinienfreigabe 2013 machte das Revival des traditionsreichen Konzepts erst möglich und fast schon unausweichlich. Zu groß sind die Vorteile des einzigen Reisewagens mit passagierfreundlichen Niederflureinstiegen und CO2-Werten von bis zu zehn Gramm pro Personenkilometer (die europäische „Clean Vehicle Directive“ lässt schön grüßen!). Und so wundert es kaum, dass das von uns getestete Modell, eine für dieses Segment optimierte Version, die erstmals die vordere Treppe auf der rechten Seite direkt hinter der Tür 1 bietet, was bisher beim Skyliner nicht möglich war – trotz der sprichwörtlichen Stuttgarter Erfindungsgabe.

So bleibt der Fahrer weitgehend unbehelligt vom beschleunigten Fahrgastfluss, der direkt von der Tür nach oben zieht, wo 56 luxuriöse Sitze des Typs „Exclussivo“ und eine unerreichte Reiseatmosphäre auf die Fahrgäste warten. Insgesamt sind es auf beiden Decks max. 83, im Testwagen noch stolze 76 Plätze, beim Express-Linien-Modell können es sogar bis zu 91 sein. Und diese neue bauliche Option, die bei Setra seit Jahren zu über 50 % verbaut wird, bewirkt einen deutlich zum Positiven gewendeten Raumeindruck im Cockpit: breiter Gang im Einstieg, vergleichsweise hohe Innendecke, viel Platz für den Fahrer und ein üppiges Staufach hinter seinem Arbeitsplatz.

Zwar ist die Innendecke an gleicher Position wie bisher, aber der Gesamteindruck für den Fahrer hat sich trotzdem subjektiv stark verbessert. Kaum einmal verspürt man die übliche Doppeldecker-Enge. Das mag auch an den entfallenen, tief hängenden Spiegeln liegen, die zu einem suboptimalen Eindruck beigetragen haben. Im Unterdeck gibt es Platz für ein bis zwei Rollstühle, da das Podest auf der rechten Seite verkürzt ist. Allerdings ist eine noch konsequentere Lösung mit komplett entfallendem Podest wie beim vor kurzem gestarteten Angstgegner Setra S 531 DT, das den kompletten Ausbau von Sitzen für einen zweiten Rollstuhl obsolet macht, derzeit nicht vorgesehen. Die Sitzlandschaft wirkt dadurch allerdings zwar wie das Alpenvorland mit Bergen und Tälern. Aber die ebenmäßige Gediegenheit des Oberdecks bis zur überarbeiteten edelsten ersten Reihe des Busmarktes entschädigt die Fahrgäste ohne weiteres für das und noch mehr.

Erstmals konnten wir auch das neue Spiegelsystem von Vision Systems – bei MAN heisst es OptiView und ist derzeit noch nicht offiziell zu kaufen – im Skyliner erleben und bei widrigen Verhältnissen testen. Auch nach drei Tagen ungemütlichem schwedischen Winterwetters zeigten sich keinerlei Dreck oder sonstige Beeinträchtigungen der Doppelkamera, die zudem beheizt ist – auch die MAN-Kollegen aus dem Münchener Versuch konnten keine ernsten Beanstandungen am System im Logbuch vermerken. Auch die elektronische Kontrastverstärkung des Bildes bei Nacht funktioniert wirklich prächtig. Die seitlichen Positions-LEDs machen den rechten Straßengraben so zur hell erleuchteten Bühne – und das nicht nur bei reflektierenden schwedischen Schneewehen!

Schneller an ihre Grenzen geraten allerdings die Sicherheitssysteme ACC, LGS und EBA bei den winterlichen Verhältnissen. Nach spätestens zwei Stunden ist die Bugmaske, hinter der sich der Radarkopf versteckt, derart vereist, dass sich nacheinander alle Systeme „abmelden“. Im Endeffekt fallen sie somit aus, auch wenn MAN das nicht so gerne hören mag. Auch der so wichtige Notbremsassistent steigt dann aus, da er bei MAN sowohl mit Radar als auch Kamera gekoppelt ist. Da heißt es dann: Raus in die Kälte und Eiskratzen! Eigentlich unverständlich, dass man hier bisher keine wintertauglichere Lösung erfunden hat, zumal diese Systeme ja gesetzlich vorgeschrieben sind – also auch jederzeit funktionieren sollten! Ohne Fehl und Tadel wiederum funktioniert das im Skyliner serienmäßige CDS, also die elektronisch gesteuerten Dämpfer, die Neoplan 2004 erstmals im Starliner eingebaut hatte (und dessen Flair der Skyliner heute nachhaltig verströmt). Gerade bei heftigem Seitenwind und eisbedeckten lappländischen Straßen weiß der Fahrer schnell die deutlich stabilisierenden Eigenschaften dieser elektronischen Segnung zu schätzen – wir taten es auf jeden Fall.

Die weitere Neuerungen des beziehen sich vor allem auf den um 10 PS und 100 Newtonmeter erstarkten Euro-6d-Motor und das nun schon etwas länger erhältliche MAN „TipMatic Coach“-Getriebe, kurz: das neue ZF Traxon. Jörg Junginger, Leiter des Busversuchs in München, ist sehr stolz auf die neue 12-Gang-Box, deren Schaltintelligenz man nun im Gegensatz zu bisher weitgehend selbst verantworte: „Bisher hatten wir uns zwar auch schon in die Abstimmung mit ZF eingebracht, aber erstmals haben wir die gesamte Schaltlogik selbst in der Hand, was uns viel mehr Möglichkeiten der Optimierung und Motorabstimmung gibt“.

Tatsächlich benimmt sich das Getriebe auch unter den besonderen Bedingungen auf dem Eis sehr manierlich. Schnelle und präzise Schaltvorgänge ergänzen sich mit extremer Geräuscharmut der Gangwechsel – was im Oberdeck zu wahrhaft himmlischer Reiseatmosphäre beiträgt. Ein paar Ungereimtheiten des Tempomaten im ACC-Folgebetrieb müssen zwar noch ausgebügelt werden, wie wir auf dem Weg an der Küste entlang in Richtung Stockholm feststellen mussten, aber Junginger erläutert souverän: „Genau um solche Feinheiten im Betrieb zu finden, spulen wir hier oben in Schweden jedes Jahr mehrere Zehntausende Kilometer ab.“

Nicht nur hier oben muss sich der Skyliner bewähren, Kunden in ganz Europa werden in den Genuss der Ergebnisse des aktuellen Wintertests kommen. Und auf seinem Weg zum Kunden wird es so manches Busfreundes Herzschlag sicher erhöhen, denn dieser Über-Neoplan hat es wirklich in sich!

 

 

Text: Olaf Forster

Bildquelle: MAN

 

 




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