Die Zeit des Wartens hat jetzt ein Ende! Die beiden Baureihen 9700 und 9900 werden rundum erneuert und gleichzeitig gestrafft. Zeit wurde es, hatten die Schweden doch schon vor rund einem Jahr einen flotten mexikanischen Bus namens 9800 ins Rennen geschickt. „Wir haben die umfangreichste Erneuerung unserer europäischen Reisebus-Baureihe seit vielen Jahrzehnten durchgeführt. Die Änderungen betreffen sämtliche Aspekte und erstrecken sich vom strukturellen Aufbau der Fahrzeuge über die Fahreigenschaften bis hin zu einem völlig neuen Design mit einer modernen Formensprache, “ erklärt Håkan Ågnevall (52), seit 2013 Präsident der Volvo Bus Corporation.
Das „sämtliche Aspekte betroffen seien“ stimmt nicht ganz, denn Fahrwerk und Motoren bleiben weitestgehend unverändert (bis auf eine jetzt erhältliche 380-PS-Version für den 9700), was durchaus kein Manko sein muss bei einem weltweit agierenden Motorenhersteller mit viel Erfahrung. Neu ist die Aufstellung des Programms aus preiswertem 9700er ohne Theaterboden und dem 9900 Premiumwagen in Drögmöller-Tradition und ansteigendem Theaterboden.
Beide Busse sind leicht in der Höhe gewachsen, dafür wurde der 9700er der Wahlmöglichkeit zwischen zwei Höhen beraubt, er ist jetzt mit 3,65 m immer genau 20 cm niedriger als sein großer Bruder. Zudem ist erstmals eine lange Zweiachser-Version mit 13,1 m Länge verfügbar. Eine schmerzliche Lücke im Programm, die sich bis vor kurzen nur MAN und Neoplan glaubten, sich leisten zu können. Der Wagen bietet eine Sitzreihe und rund zwei Kubikmeter mehr Kofferraum als der 12,4-m-Wagen, das sind rund 10 l mehr Stauraum pro Fahrgast (ca. 180 l). Außerdem bietet Volvo zukünftig eine funktionale „Select-“ und eine luxuriösere „Superior-Ausstattungslinie“ für den 9700 an, mit dem man auch auf die boomenden Fernlinien zielen will – der 9500er Hochbodenbus entfällt derweil komplett. Der 9900er spielt ohnehin in einer ganz anderen Liga, die auch Europa-Vertriebschef Ulf Magnusson unumwunden zugibt: „Der Volvo 9900 befördert vor allem das Image, der 9700 befördert Menschen.“
Da das - jetzt aus gewichtssparendem Composite-Material bestehende und trotzdem stabilere - Dach um 8 cm im Vergleich zum Boden angehoben wurde, wächst die Innenstehhöhe dabei auf üppige 2,01 und 2,08 m (nebenbei sinkt der Schwerpunkt des Wagens). Wobei sie im 9900 natürlich stark variiert aufgrund des noch etwas deutlicher als bisher ansteigenden Theaterbodens. Die seit 2017 schon laufende Integralbauweise im umgebauten Volvo-Werk Breslau trägt neben dem leichten Dach wesentlich zur Gewichtseinsparung von rund 300 kg beim Zweiachser bei und soll besonders beim Thema Korrosion Gutes bewirken.
Um das bekannte Alleinstellungsmerkmal Theaterboden noch deutlicher zu betonen, hat sich Chef-Designer Dan Frykholm etwas ganz Besonderes ausgedacht: Eine doppelte, silbern gezeichnete „Z-Line“ à la Opel Meriva, die kurz vor der Tür 2 nochmal deutlich abfällt um dann einen beherzten neuen Anlauf zum hohen Heck zu nehmen. Wer den ansteigenden Bodentrick immer noch nicht erkennt, dem ist nicht mehr zu helfen. Und ganz nebenbei passt Volvo die gewachsene Tür 2 so besser unter die wellenförmige Seitenlinie ein.
Im Vorgänger musste sie sich noch deutlich niedriger ducken als die vordere Tür, die jetzt eine Scheibe unten besitzt, durch die man Fahrradfahrer oder Fußgänger in der Stadt besser sehen soll. Das ist löblich, denn Fußgängererkennung und Abbiegeassistent sind leider immer noch Fehlanzeige im sicherheitsverliebten Volvo.
Bild: Der neue Volvo 9900
Text und Bildquelle: Olaf Forster